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Kurzbericht zum Fachtag am 30.11.2022

Kurzbericht zum Fachtag am 30.11.2022

Dorthin gehen, wo die Menschen ihre Zeit verbringen

Spannung lag über dem Fachtag „Macht der Ton die Musik?! Nachhaltige Kommunikation und Informationsvermittlung in den Bereichen Demenz, Hospiz und Palliative Care für Menschen mit Migrationsgeschichte.“, zu dem die Fachstelle für Fachstelle für pflegende Angehörige (FspA) und die Zentrale Anlaufstelle Hospiz (ZAH) am Mittwoch, den 30. November 2022 einluden. Hat man nicht schon genug gesprochen? Ist man nicht zu oft bereits mit ambitionierten Vorhaben an seine Grenzen gestoßen, ohne dass ein nachhaltiger Erfolg in der Breite zu verzeichnen wäre? Weiß man nicht eigentlich schon alles über Kommunikation und Informationsflüsse und hat nur ein Umsetzungsproblem?

Fragen, die zweifellos im Raum standen, hielten die über 100 Teilnehmer*innen aus Berlin und dem gesamten Bundesgebiet nicht ab zu kommen. Das Bedürfnis nach Austausch und neuen Impulsen, die das Programm versprachen, überwog.

Eröffnungsrednerin Mosjkan Ehrari, erfahrene Journalistin und Filmemacherin sowie Herausgeberin des Handbook Germany der Neuen Deutschen Medienmacher*innen, thematisierte „analoge und digitale Zugänge zu Migrations-Communities“ und drang zum Kern gelingender Information und Kommunikation vor. Um die Zielgruppen zu erreichen, erklärt sie, muss man sich dorthin bewegen, wo die Menschen sich aufhalten. Was sie dann im Konkreten ausführte und auch am Beispiel „Handbook Germany“ (https://handbookgermany.de/de) erläuterte, hatte für die meisten nicht nur Neuigkeitswert, sondern war Anregung pur. Nicht neu, jedoch wichtig zu wiederholen, war ihr Statement, dass erfolgreiche Kommunikation eine Vertrauensbasis zur Voraussetzung habe, die gepflegt werden muss. Und das brauche Zeit und Kontinuität.

Prof. Joachim Trebbe, Publizistik- und Kommunikationswissenschaftler an der Freien Universität Berlin knüpfte als zweiter Impulsgeber an seine Vorrednerin an und betrachtete die „Rolle der Medien in der Informationsvermittlung für migrantische Zielgruppen“. Selbst betroffen als pflegender Angehöriger, forschte der Experte für Medien und soziale Migration eigens für unseren Fachtag nach Quellen im Kontext von Pflege, Demenz und Palliative Care. Sein intensives Suchen nach aktuellem Datenmaterial wurde nur sporadisch belohnt. „Uns fehlt eine Datengrundlage, um Medienwirksamkeit im Migrationskontext wirklich abbilden zu können“, schlussfolgerte er. Doch auch die Analyse etwas älterer Studien brachte bemerkenswerte Ergebnisse. Menschen über 65 Jahre mit Migrationshintergrund werden in 10 bis 15 Jahren prozentual etwa so viele sein wie Menschen ohne Migrationshintergrund, sind also eine sehr relevante Gruppe für Pflege. Wir erfuhren u.a. von den wichtigsten Informationsquellen zu Gesundheit und Pflege unter Migrant*innen, auch wie tradiertes Medienverhalten einer Generation in fortschreitendem Alter mitgenommen und welche Auswirkungen das auf die voraussichtliche Nutzung der neuen Social Media – Plattformen haben wird. Trebbe empfahl, Social Media wie Messangerdienste im Auge zu behalten, denn dort werden sich unsere Zielgruppen vornehmlich aufhalten. Er regte an zu überprüfen, ob nicht Pflegedienste und Beratungsstellen, die interkulturell oft gut aufgestellt seien, jedoch kaum Öffentlichkeitsarbeit betrieben und in Migrant*innenorganisationen kaum bekannt seien, über solche Medien eher Fuß fassen können. Im Zusammenhang mit der extremen Rolle der Frauen in migrantischen Familien, wenn es um Care-Arbeit geht, identifizierte er diese als äußerst wichtige Zielgruppe und Schlüsselpersonen von Medienarbeit, um die man sich kümmern solle.

Neben familiärer Einbindung, so belegen mehrere Studien, gebe es auch weitere Merkmale wie Alter, Bildungsstand und sozioökonomischer Status, die stärker als der Migrationskontext wirken. Hier sei in Bezug auf Informationsbedarf und Kommunikation genau hinzuschauen und zu gewichten.

Ute Hauser, Geschäftsführerin der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e.V. (AlzG B/W) und seit 20 Jahren zum Thema Demenz aktiv, hob sich nur scheinbar von ihren Vorredner*innen ab, indem sie meinte, sie sei insbesondere in den analogen Medien unterwegs. Was sie dann dem bewegten Auditorium unterbreitete, war ein äußerst gelungener Mix aus der Praxis mit vielen Bezügen zu den ersten beiden Impulsen. Frank Schumann, Leiter der Fachstelle für pflegende Angehörige, betonte in seiner Anmoderation, dass die neuen Wege der Kommunikation in quartiersbezogener Arbeit, die nun vorgestellt würden, ermöglicht wurden aufgrund der Landestrategie Quartier 2030 in Baden-Württemberg. Auf „Aufmerksamkeit wecken, Sensibilisieren, Beteiligen“ lag der Fokus von Hausers Beitrag bei der Vorstellung ihres Projektes „Demenz im Quartier“.

Als Teil der Quartiersstrategie wurden fünf Quartiere ausgewählt, um sie „demenzaktiv“ zu machen. Und das sei auch tatsächlich gelungen. Wie genau die Baden-Württemberger*innen das machten, was man lernte, indem man Experten für Kommunikation und Gestaltung hinzuzog und eine Agentur beauftragte, was es bedeutete, für alle 5 Quartiere eine gemeinsame Kommunikationsstrategie zu entwickeln, wie ideenreich man eine Plakataktion aufziehen kann und wie Schritte zum Eigenengagement der Bürger*innen im Quartier, Nachbar*innen, Freund*innen aussehen können, sollte unbedingt in der Dokumentation dieses Fachtages nachgelesen werden, die in Kürze erscheint. Auch Hauser reflektierte, „wir als Alzheimer Gesellschaft informieren und beraten viel, müssen aber aufpassen, dass wir nicht immer in dieser Fachsprache unterwegs sind, sondern wirklich auch Menschen im Alltag erreichen, da, wo sie gerade sind und spezifisch schauen, welchen Hintergrund, auch Migrationshintergrund sie haben.“ Vorab sei schon mal auf den eingangs gezeigten Kurzfilm „Durch den Nebel“ verwiesen, eine Produktion der AlzG B/W, die in Kooperation mit DeMigranz von Demenz Support Stuttgart auch auf Russisch und Türkisch erschienen ist. (https://www.alzheimer-bw.de/infoservice/kurzfilme-zum-herunterladen/) sowie auf die Seite www.kompassdemenz-bw.de, die die Impulskampagne von „Demenz im Quartier“ begleitet.

Das Plenum machte Lust auf Mehr. Und wirklich verdient auch jeder der durchgeführten Workshops in den Break out Rooms genaue Betrachtung. Hier wurden nicht nur die Impulse des Vormittags in der Diskussion aufgenommen und untersetzt, sondern vielfach auch weitere Impulse gegeben. Sowohl die Moderationen als auch vorbereitete Inputs lagen vielfach in den Händen von Vertreter*innen migrantischer Communities, die Seite an Seite mit den Kolleg*innen aus Fachstellen, Verwaltungen, Unterstützungs- und Beratungsprojekten sich über Best Practice freuten, Probleme diskutierten, sich der Herausforderungen wohl bewusst waren und ein großes Interesse zeigten, sich weiter zu vernetzen und gegenseitig zu unterstützen.

Die Details zu den Workshops „Informationsfluss in kulturellen und religiösen Communities (WS1), „Best Practice: Effektivität digitaler diversitätssensibler Information zu Demenz und Sterbebegleitung“ (WS2) und „Print – ein Auslaufmodell? Nutzung mehrsprachiger Informationsbroschüren und Flyer – Welche Methoden gibt es noch?“ (WS3) entnehmen Sie bitte der Dokumentation.

Großer Dank gilt allen beteiligten ehrenamtlichen wie professionellen Akteur*innen, neben den bereits Genannten insbesondere Suzan Nuhn vom Kuratorium Deutsche Altershilfe, Obiri Mokini von Refugee Radio Potsdam, Daniel Ruprecht von der DAlzG, An Ngo von VCare, Tina Westphal vom Pflegestützpunkt Prinzenstraße und Jala El Jazairi von der ZAH als Redner*innen, Nazife Sari und Lamiss Gahddar von den Brückenbauer*innen, Nozomi Spennemann vom Verband für Interkulturelle Arbeit und Claudia Pfister von der ZAH für ihre Workshop-Moderationen, Karin Steyer, Christian Pälmke, Heinrich Stockschlaeder, Katharina Lange (alle FspA) sowie Sina Brückner (ZAH) für ihre Arbeit als Whiteboard-Führer*innen und Chat-Beobachter*innen sowie Frank Schumann für die Gesamtmoderation. Den technischen Support leistete zuverlässig connectivio GmbH.

Fachstelle für pflegende Angehörige

Schenkendorfstr. 7, 10965 Berlin

  • E-Mail: fs-pflegende-angehoerige@dwbsm.de
  • T: 030. 6959 8897
  • F: 030. 6107 4544